Tolle Geschichten für mögliche und unmögliche Lebenslagen.
Emily Norton: »Die Borger«
Timo Parvela: »Pekkas geheime Aufzeichnungen. Das geheime Samuraischwert«
Emmanuel Giuvert, Marc Boutavant: »Ariol. Wo ist Petula?«
Eoin Colfer: »Der Hund, der sein Bellen verlor.«
Philip Waechter: »Toni. Und alles nur wegen Renato Flash«
Emma Carroll: »Das Geheimnis der roten Schatulle«
Maike Dugaro, Anne-Ev Ustorf: »Mauerpost«
Jana Scheerer: »Gefahr ist unser Geschäft. Aus den Akten der Detektei Donnerschlag«
Judith Kerr: »Ein Seehund für Herrn Albert«
Holly Goldberg Sloan, Meg Wolitzer: »An Nachteule, von Sternhai«
Hilke Rosenboom: »Ein Pferd namens Milchmann«
Eoin Colfer: »Tim und der schrecklichste Bruder der Welt«
Gary Paulsen: »Harris und ich«
Beate Dölling, Marie Geissler: »Allein uter Mädchen«
Danny King: »Amy X rennt allen davon«
Riad Sattouf: »Esthers Tagebücher. Mein Leben als Dreizehnjährige«
Oliver Schlick: »Rory Shy. Der schüchterne Detektiv«
Zoran Drvenkar, Patricia Keller: »Oh je, schon wieder Ferien«
Sylvia Heinlein: »Mission Unterhose«
Astrid Lindgren: »Märchen«
Jutta Bauer, Kirsten Boie: »Ich bin Juli! Geschichten aus dem Kindergarten«
Judith Rossell: »Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert«
Sara Pennypacker: »Mein Freund Pax«
Miriam Körner: »Winter Dogs«
Kenneth Oppel: »Danger Express«
Cornelia Franz: »Wie ich Einstein das Leben rettete«
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Aktenzeichen xy ungelöst
Wo ist die zweite Socke? Der teure Teelöffel? Die praktische Pinzette? Endlich gibt es darauf eine Antwort: Die Borger waren’s. Diese kleinen Personen leben überall, in jedem Haus. Wie sie Gegenstände der großen Menschen benutzen liest sich sehr lustig. Eine altmodische Geschichte, gemütlich erzählt, und übrigens auch als Hörbuch ein Vergnügen, denn es wurde von der knarzigen Katharina Thalbach fesselnd eingesprochen.
Die Bilder sind für meinen Geschmack etwas speziell und begleiten die Handlung nicht unbedingt erhellend – aber sie stören auch nicht.
Was ist hier los? Familie Clock hat es sich unter den Dielen eines alten Hauses gemütlich gemacht. Was sie zum Leben brauchen, borgen sie sich bei den Menschen oben im Haus, die auf keinen Fall von ihnen wissen dürfen. Als sich die Tochter Arrietty mit einem Jungen im Haus anfreundet, sind ihre Eltern alarmiert.
Beste Lesezeit: Zur gemütlichen Vorlesestunde am Abend.
Emily Norton: »Die Borger«. Aus dem Englischen von Christiane Jung. Fischer Sauerländer. Ab 10 Jahren. Als Hörbuch genial vorgetragen von Katharina Thalbach. (sauerländer audio)
Das Leben ist ein Abenteuer
Ja-ha, noch so ein Jungs-Tagebuch, von denen es seit »Gregs Tagebuch« unzählige Kopien gibt. Aber dieses hier ist aus Finnland. Von einem Jungen, der seine Badehose zum Trocken in die Mikrowelle hängt. Dort, wo auch schon Mamas Mittagessen gart. (– Wo ist das Problem?) Und damit ist es schon so anders, das Greg schnell vergessen ist.
Ich mag das handliche Format und die riesigen, kullerigen Illustrationen, die ordentlich viel Platz brauchen. So können die Texte auch gar nicht lang sein. Super für Erstleserinnen und Erstleser oder Lesemuffel.
Was ist hier los? Pekka, ein etwas träger Denker, erzählt in lakonischem Ton von seinem Alltag, der nie besonders alltäglich ist. Mal denkt er, dass ein Emu bei ihm einzieht, mal verschwindet sein Hund mit einer Piratin. Mein Lieblingsband ist „Das geheime Samuraischwert“, in dem er mit seinem Onkel Remu nach Japan fährt. Ich will dein Leben, Pekka!
Beste Lesezeit: Nach der Schule.
Timo Parvela: »Pekkas geheime Aufzeichnungen. Das geheime Samuraischwert«. Aus dem Finnischen von Anu und Nina Stohner. Hanser. Ab 8 Jahren.
Fotos: © Privat
Große Liebe
Klar, dass Comics sich für Lesefaule anbieten – Donald Duck liest schließlich jeder, oder?
»Wo ist Petula?« ist mein Lieblingsband der französischen Comic-Reihe mit Ariol, dem Esel. Die Geschichten stecken voller Wortwitz, weil sie den Alltag eines Kindes beschreiben, aber alles in der Tierwelt passiert. Schön ist auch der kleine Hauch Frankreich, der über der Handlung liegt. Eine schöne Abwechslung neben all den amerikanischen Geschichten, die sich sonst so im Kinderbuch tummeln.
Was ist hier los? Als Ariol nach Haus zu seiner Angebeteten Petula (einer Kuh) eingeladen wird, ist er im Glück. Er ahnt ja nicht, welche Fettnäpfchen lauern, wenn man ein Mädchen besucht. Und dann ist da noch ihr Vater, der Stier …
Beste Lesezeit: Wenn man verliebt ist.
Emmanuel Giuvert, Marc Boutavant: Ariol. »Wo ist Petula?« Übersetzt von Annette von der Weppen. Reprodukt. Ab 6 Jahren.
Freunde
Diese Geschichte beginnt so traurig, dass ich fast aufhören wollte zu lesen. Wer weiterliest, wird mit einer stimmungsvollen und auch lustigen Erzählung über die Freundschaft zwischen einem kleinen (sehr süßen) Hund und einem Jungen belohnt; eingerahmt von außergewöhnlich vielen, schönen Bleistiftillustrationen.
Das Leben ist manchmal traurig, auch Kinder wissen das. An diese Geschichte denken sie vielleicht zurück, wenn sie es selber einmal schwer haben und können sich dann bei dem Gedanken trösten, dass am Ende immer alles wieder gut wird.
Was ist hier los? Ein verstörter Welpe wird von einem Jungen aufgenommen, der ihn mit viel Geduld aufpäppelt. Doch auch der Junge hat Kummer, denn sein Vater ist dabei die Familie zu verlassen. So geben sie sich die beiden gegenseitig den Halt und finden auf Umwegen aus der Traurigkeit und zu neuer Lebensfreude. Abwechselnd erzählen die beiden ihre Sicht der Dinge. Durch diese Hunde-Perspektive lernt man einiges über Hunde und wie sie zu führen sind. Genialer Eoin Colfer.
Beste Lesezeit: Zur Vorlesestunde.
Eoin Colfer: »Der Hund, der sein Bellen verlor«. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Orell Füssli Kinderbuch. Ab 8 Jahren, gerne auch älter.
Geld verdienen? – Easy!
Jetzt ist endlich mal ein Comic von Philip Waechter dran. Der Illustrator hat schon viele kurzweilige Geschichten geschrieben und ich freue mich immer wieder so über seinen ausdrucksvollen Strich, seine lebendige Sprache und nicht zuletzt die originellen Geschichten. Wie er die Welt aus Kinderaugen beschreibt ist nebenbei auch für Erwachsene lustig. Die Bildergeschichte über Toni, der versucht Geld zu verdienen, ist verständlich erzählt. Lesemuffel können sich ein bisschen durch die Bilder schummeln, man könnte es aber auch mit verteilten Rollen vorlesen.
Worum geht es? Der fußballverrückte Toni hat da diese obercoolen Fußballschuhe entdeckt, die mit der Blinkfunktion. Mit denen die Bälle wie von allein im Tor landen. Er muss sie haben. Sofort. Das sieht seine Mutter überraschenderweise ganz anders und so versucht er, dass Geld für die Treter selber zu verdienen. Jobs gibt es an jeder Ecke – sechs sind es am Ende, die er ziemlich erfolglos ausprobiert. Und was er dabei erlebt ist nicht nur lustig, sondern auch hilfreich für die, die selber etwas Geld verdienen wollen.
Beste Lesezeit: Wenn das Kind mehr Taschengeld möchte.
Philip Waechter: »Toni. Und alles nur wegen Renato Flash«. Beltz & Gelberg. Ab 6 Jahren.
Der Traum vom Fliegen
Annonay, ein Städtchen in Frankreich, im Jahre 1783. Hier lebt das Waisenmädchen Elster und schlägt sich – man ahnt es – als Taschendiebin durch. Und hier lebt der gleichaltrige Pierre Montgolfier mit seiner Familie. Als eine vornehme Frau dem Mädchen viel Geld dafür anbietet, eine Schatulle aus Pierres Haus zu stehlen, wird Elster in die geheimen Pläne der Montgolfiers reingezogen. Das Buch entführt die Leser in eine längst vergangene Zeit, als Fliegen nur ein verwegener Traum war.
Dicker Historien-Schmöker, der auf der wahren Geschichte über den Bau des ersten Fesselballons beruht, und diesen sehr gelungen mit einer spannenden Detektivgeschichte verbindet.
Emma Carroll: »Das Geheimnis der roten Schatulle«. Aus dem Englischen von Cornelia Panzacchi. Thienemann. Ab 10 Jahren.
Ihr und wir
Zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls erscheinen auch für Kinder- und Jugendliche viele Bücher, die das Leben in der DDR vermitteln möchten. Was liegt da näher, als zwei Kindern eine Brieffreundschaft zu verpassen und sie erzählen zu lassen?
Julia in Ost-Berlin und Ines im Westen der Stadt fassen in ihren Briefen schnell Vertrauen zueinander, obwohl sie sich gar nicht kennen. Sie erzählen sich von ihren Eltern, dem Schulalltag und ihren Freundschaften und entdecken dabei einige Unterschiede– aber auch eine überraschende Gemeinsamkeit.
Das Buch beschönigt nicht, sondern erzählt auch vom Misstrauen der Menschen untereinander oder der Ausgrenzung einer Schülerin durch die Lehrer. Vor allem aber ist es eine richtig spannende Geschichte über Freundschaft und Familie. Hier ist eine tolle Mischung aus Geschichte und Geschichtlichem gelungen.
Maike Dugaro, Anne-Ev Ustorf: »Mauerpost«. cbj. Ab 13 Jahren.
Mein Name ist Wolkenschlag. Harald Wolkenschlag
Auch wenn es Oma nicht passt: Harald ist ein knallharter Privatdetektiv, ausgestattet mit Tricks wie vielsagendem Räuspern, Notizblock und Hut. Und egal, wie peinlich Oma seinen Hut findet: der bleibt drauf. Für seine Berufung gibt Harald nämlich alles. Und da kann es eben vorkommen, dass er ohne Fahrkarte für Ermittlungen ins große Humbug fahren muss, um ein verschwundenes Schaf zu finden. Zum Glück trifft er in dort Kollegin Trix, ohne die er Schnucki McGäffin nicht wiedergefunden hätte.
Jana Scheerer hat einen jungen Marlowe kreiert und lässt ihn in einer Mischung aus Norddeutsch und Detektiv-Sound von seinem ersten Fall berichten. Eine Frau darf natürlich auch nicht fehlen – man ahnt eine Schwäche für eine gewisse Wiebke … Lustig und spannend!
Jana Scheerer: »Gefahr ist unser Geschäft. Aus den Akten der Detektei Donnerschlag«. WOOW Books. Ab 10 Jahren.
Überraschende Liebe
Herr Albert hat seinen Kiosk verkauft und sich zur Ruhe gesetzt. Jetzt sitzt er zu Hause und fühlt sich einsam. Was soll er den ganzen Tag machen? Wie gut, dass ihn sein Vetter William zu sich ans Meer einlädt. Dort findet Herr Albert ein Seehundbaby, das keine Mutter mehr hat. Er nennt es Charlie und nimmt es mit nach Hause in die Stadt. Denn sonst wäre es verhungert. Doch nicht nur Pflege und Ernährung des Tieres sind ein Problem, sondern auch der Hauswart, der Tiere im Haus streng verbietet. Da lernt er seine Nachbarin kennen, die heimlich einen Kanarienvogel hält. Als sie den fiesen Hauswart nicht länger austricksen können, müssen sie ein anderes Zuhause für Charlie finden.
Judith Kerr, die Autorin von „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, ist heute 93 Jahre alt. Diese zeitlos-schöne Geschichte schrieb sie im Gedenken an ihren Vater, der vor gut 100 Jahren tatsächlich versuchte, in seiner Berliner Wohnung ein Seehundbaby zu halten. Das Experiment misslang. Alfred Kerr ließ den Seehund ausstopfen.
Judith Kerr: »Ein Seehund für Herrn Albert«. FISCHER Sauerländer. Ab 6 Jahren.
Schreibst du mir?
Das ist so übel! Nur weil sich ihre Väter ineinander verliebt haben, sollen Bett und Avery gemeinsam in ein Sommercamp fahren und Freundinnen werden. Nein Danke. Um dies zu verhindern, schreibt Bett eine ziemlich unfreundliche Mail an Avery. Und auch Avery will ihren Vater mit niemandem teilen. Doch dann entdecken sie langsam, dass sie vielleicht gar nicht so viel zu verlieren haben.
Ein Hoch auf die Ehrlichkeit! Sie wird zur Grundlage einer aufrichtigen Freundschaft, die sich im Laufe der Korrespondenz zwischen den beiden entwickelt und zu überraschenden Wendungen im Leben der beiden führt. Toll Übersetzung von Sophie Zeitz, die auch John Greens Werk ins Deutsche übertragen hat.
Holly Goldberg Sloan, Meg Wolitzer: »An Nachteule, von Sternhai«. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz. Hanser. Ab 10 Jahren.
Das gibt’s doch nicht!
Und eine schön verrückte Pferde-Detektiv-Geschichte. Dass die Hauptperson Herrmann heißt, ist ein guter Anfang, dachte ich gleich. Und Herrmann ist ein richtig netter Junge. Ein Pferd im Haus kann den Alltag eines Kindes allerdings durcheinanderbringen. Wie gut, dass er seinen Freund Babir hat, den nichts aus der Ruhe bringt, solange er etwas zu essen hat.
Eine Geschichte voller lustiger Figuren und überraschender Wendungen, das Ganze auch noch sehr witzig aufgeschrieben. Ein schönes Buch zum gemeinsamen Lesen, das auch für ältere Kinder noch lustig ist.
Was ist hier los? Da steht ein Pferd auf dem Flur! – Nein, im Garten. Ist das ein Traum? Herrmann ist verblüfft. Vor allem, weil er sich sogar mit dem Tier unterhalten kann. Als klar wird, dass auch anderen Kindern und sogar seinem Mathelehrer ein Pferd zugelaufen ist, finden Herrmann und Babir heraus, wer dahintersteckt.
Beste Lesezeit: Zur gemütlichen Vorlesestunde.
Hilke Rosenboom: »Ein Pferd namens Milchmann«. Carlsen. Ab 8 Jahren.
Zum Schlapplachen
He, schon wieder Eoin Colfer, denken Sie jetzt vielleicht. Ja, stimmt. Aber warum soll ich Ihnen etwas Gutes vorenthalten, nur weil ich vor einigen Monaten schon einmal ein Buch von Colfer besprochen habe? Er ist einfach gut. Dieses Mal reisen wir zu einer sechsköpfigen Familie nach Irland. Mittendrin der Erzähler Tim, der Zweitgeborene, dem die herausragende Übersetzerin Brigitte Jakobeit eine tolle Stimme gibt. Colfers Humor und Wortkreationen hat sie hier wieder mit viel Phantasie ins Deutsche übertragen. Dazu noch Toni Ross‘ lässiger Strich – das Sahnehäubchen auf der Geschichte. Durch seine Bilder wird jedes Buch noch lustiger und klüger.
Was ist hier los? Der achtjährige Tim leidet furchtbar unter seinem älteren Bruder Marty, die drei jüngeren Brüder hängen ständig an der Mutter. Keiner interessiert sich für ihn. Zum Glück hat er einen Leuchtturmwächter-Opa, der ihn auf gewitzte Weise seine Probleme verarbeiten lässt und ihm Selbstbewusstsein gibt.
Beste Lesezeit: Bei einem Becher Kakao.
Eoin Colfer: »Tim und der schrecklichste Bruder der Welt«. Gulliver. Ab 8 Jahren.
Du gehörst dazu
Man muss nicht die gleichen Eltern haben, um sich wie Geschwister zu fühlen. Dies versteht ein 11-jähriger Junge, als er zu einer Pflegefamilie kommt. In freundlichem Erzählton blickt hier ein Erwachsener zurück, man spürt Wehmut und Nähe zu dem Kind, das er einst war. Der ernste Hintergrund des Aufenthalts bekommt nicht viel Raum, viel wichtiger sind die Erlebnisse an der Seite des 9-jährigen Harris. Der ist eine unkomplizierte Knalltüte, die den fremden Jungen sofort in sein Leben integriert und ihm absolut vertraut.
Schön sind die Beschreibungen vom damaligen Alltag auf einer Farm. Wer je als Städter die Verwandtschaft auf dem Bauernhof besucht hat, weiß, wie dumm sich der Junge am Anfang fühlt. Durch die Augen des Erzählers erleben wir die pragmatische Verbundenheit der Familie zu ihren Nutztieren, die für uns heute fast exotisch wirkt. In kleinen Andeutungen über die Erwachsenen ahnt man die politische Situation, die ältere Leser besser verstehen werden, durch die das Buch aber eben auch für Jugendliche lesenswert ist.
Was ist hier los? Amerika in den 1950er-Jahren. Ein elfjähriger Junge wird zu Verwandten auf eine Farm gebracht, weil seine Eltern sich nicht um ihn kümmern können. Die wortkarge Familie Larson nimmt das fremde Kind ohne Umschweife an, von den anderen Kindern wird er wie ein Bruder behandelt. Er muss zwar auch mitarbeiten, hat aber vor allem sehr viele lustige und gefährliche Erlebnisse mit dem Sohn der Familie und kann sich wieder geliebt und beschützt fühlen.
Beste Lesezeit: An einem Sommerabend.
Gary Paulsen: »Harris und ich«. Aus dem Amerikanischen von Ulli und Herbert Günther. dtv Reihe Hanser. Ab 11 Jahren.
Kurz und gut
Auf dem Schulhof. Hier die Jungs, da die Mädchen. Wie kann man sie bloß kennenlernen, fragt sich Theo und hat eine ungewöhnliche Idee. Die anderen Jungs sind schockiert – und am Ende ein wenig neidisch.
Eine pointiert erzählte Geschichte für Erstleser. Das heißt: große Buchstaben, kurze Absätze, viele Bilder. Und sicher auch eine unterhaltsame Lektüre für Deutsch-Sprachkurse.
Was ist hier los? Die Geschichte vom mutigen Theo, der sich allein auf einen Ponyhof traut, wo es nur von Mädchen wimmelt. Und genau darum ist er hier: Um diese Wesen besser kennenzulernen. Nach den Ferien weiß er also nicht nur allerhand über Ponys, sondern auch über Mädchen. Sein Fazit: „Die sind eigentlich ganz cool. Bisschen frech, aber witzig.“
Beste Lesezeit: Um sich Mut anzulesen.
Beate Dölling, Marie Geissler: »Allein unter Mädchen«. Tulipan Verlag. Ab 6 Jahren.
Geist schlägt Geld
Das Inselreich Pomplonia wird von einem Regenten regiert, der ordentlich plemplem ist und seine Untertanen mit absurden Regeln terrorisiert. Mit demütigenden Gesetzen werden die Armen von einem würdigen Leben ausgeschlossen. Die schlaue Amy, gehört zu ihnen, sie darf nicht einmal einen Nachnamen haben. Doch mit einer List führt sie die Schwächen derer vor, die denken, sie hätten ein Recht auf die Sonnenseite des Lebens.
Was ist hier los? Amy muss wie alle Zwölfjährigen des Landes an einem idiotischen Wettlauf teilnehmen, obwohl sie chancenlos ist. Schließlich hat sie nicht einmal Turnschuhe. Und dass die verwöhnte Prinzessin gewinnen wird, steht sowieso schon fest. Als Amy schon aufgeben will, wurmt es sie dann doch, dass die reichen Dumpfbacken wieder gewinnen sollen.
Beste Lesezeit: Wenn der Kampfgeist fehlt.
Danny King: »Amy X rennt allen davon«. Aus dem Englischen von Oliver Latsch. You&ivi. Ab 10 Jahren.
Ist das die Pubertät?
Super! Paris mal ganz authentisch durch die Augen einer (wichtig!) fast 13-Jährigen. Esther erzählt von ihren Träumen, hat Schwächen und Launen, ist wunderbar kämpferisch und herzlich. Die Menschen sind lustig überzogen gezeichnet und die Bilder toll koloriert. Dies ist der 4. Band einer Reihe, mit jedem ist sie ein Jahr älter geworden.
Keine Ahnung, warum der Verlag auf Altersangaben verzichtet. Ich denke, dass man ab zwölf Jahren richtig Spaß an den Geschichten hat. Kurze Episoden, gute Pointen. Super für alle, bei denen es schnell gehen muss.
Was ist hier los? Tagebuch eines Teenagers. In einseitigen Episoden kotzt Esther sich kurz und knackig aus. Sie beschreibt die Wirren des Alltags in Schule, Familie und sich selbst. Zum Beispiel der Horror vor einer Zahnspange, was man so fühlt, wenn der Hamster stirbt (nicht so viel wie Esthers Mutter) oder wie schwierig es in ihrem Alter ist, eine angemessene Geburtstagsparty auszurichten und Fragen der Körperhygiene. – Im Grunde ein Buch für die ganze Familie.
Beste Lesezeit: Wo ist bloß die gute Laune hin?
Riad Sattouf: »Esthers Tagebücher. Mein Leben als Dreizehnjährige«. Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. Reprodukt. Ab 12 Jahren.
Reden ist silber, Reden ist gold
Na, dieser Rory Shy ist ja ‘ne Kanaille! Total berühmt und erfolgreich, aber so schüchtern! Matilda fällt aus allen Wolken als sie dem Detektiv zufällig begegnet – er klebt mit seiner Zunge an der Kühlerhaube eines Wagens – und entdeckt, dass er vor Schüchternheit keinen geraden Satz ohne Ähs und Öhs sprechen kann. Warum ist er dennoch so erfolgreich? Das ist Rorys großes Geheimnis und Matilda, die alte Plaudertasche, bekommt es raus und hilft ihm bei seinem nächsten Fall.
Dies ist ein richtig schöner Kinderroman in bester Detektivtradition, der durch originelle und lustige Figuren auffällt und fabelhaft geschrieben ist. Matilda ist eine richtig coole Socke, die die Erwachsene durchschaut und weiß, wie man sie führen muss.
Oliver Schlick: »Rory Shy. Der schüchterne Detektiv«. ueberreuter. Ab 10 Jahren.
Kindische Eltern
Verrückte Welt! Bei Familie Langer gibt es eine merkwürdige Regel. Nein, nicht nur bei ihr, sondern bei allen Familien der Stadt tausche Eltern und Kinder in den Ferien die Rollen. Das ist für Kinder leider gar nicht so toll, wie es klingt, denn die Alten streiten, essen heimlich Popcorn und gehen im Supermarkt verloren. Peinlich! Auf der Plusseite: Mit Kissen unterm Po darf Tochter Eddie Auto fahren – und hat dabei immer die Rückbank im Blick, weil Mama und Papa so viel Unfug im Kopf haben. Ist das anstrengend!
Tolles Gedankenspiel, über das man ein bisschen ins Nachdenken kommt, sehr lustig aufgeschrieben. Die Kinder quälen sich mit dem gleichen Kram wie die Eltern und sinken abends müde ins Bett. Vielleicht eine Idee für die eigenen Ferien? Mit extra großen Buchstaben und vielen Illustrationen ist es für Leseanfänger konzipiert und riecht trotzdem nicht nach Schule.
Zoran Drvenkar, Patricia Keller: »Oh je, schon wieder Ferien«. BELTZ & Gelberg. Ab 7 Jahren.
Kauz und Komiker
Ich bin immer wieder begeistert von dieser sommerlichen Freundschaftsgeschichte. Und sie ist so lustig wie der Titel des Buches es verspricht. Hier treffen zwei völlig unterschiedliche Jungstypen aufeinander und geraten in eine superspannende Kriminalsache rein. Was für ein Glück, dass Kalli ein Komiker-Talent ist und Hannes viele Detektivgeschichten gelesen hat.
So unterschiedlich wie die Jungs sind auch ihre Eltern: Hannes ist mit akademischen-vegetarischen Helikopter-Eltern ohne Fernseher geschlagen und Kalli hat solche Alles-ganz-locker-Eltern, die ihre Füße auf den Couchtisch packen, Chips futtern und manchmal vielleicht nicht mitkriegen, was ihr Sohn treibt. Das verwirrt den braven Hannes. Sehr lustig!
Was ist hier los? Sommerferien in einer deutschen Reihenhaussiedlung. Alle sind verreist. Alle? Nein, da liegt doch Hannes auf der Terrasse, genießt die Stille und liest seine geliebten (und von den Eltern verbotenen) Detektivhefte. Bis Kallis Schatten auf seine Liege fällt. Nun ist die Ruhe dahin und wider Willen findet er diese durchgeknallte Type irgendwann doch auch ganz witzig ist. Zusammen wachsen sich über sich hinaus. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Beste Lesezeit: Wenn keiner da ist.
Sylvia Heinlein: »Mission Unterhose«. Tulipan. Ab 9 Jahren und jünger.
Zeitlos schöne Geschichten
Manche mögen mich für diesen Titel kritisieren, weil Astrid Lindgren eh jeder kennt. In meiner selbsternannten Funktion als Denkmalbeauftrage für Kindergeschichten möchte ich aber auf die vielen Erzählungen hinweisen, die Lindgren neben den großen Romanen geschrieben hat.
Dieser dicke Sammelband ist besonders schön, weil er von Ilon Wikland reichlich illustriert ist. Und viele Bilder sind immer gut. Wikland hat die meisten Bücher Lindgrens bebildert und damit sicher auch das Schwedenbild vieler Deutscher mitgeprägt.
Was ist hier los? 15 Geschichten in denen sich Phantasie und Realität auf wundersame Weise vereinen. Zum Beispiel die von den Geschwister Peter und Petra, klein wie Puppen, die im Vasapark wohnen und dort nachts Schlittschuh laufen. Oder Nils-Karlsson Däumling, der unter Bertils Bett in einer kargen Wohnung lebt. Und dann ist da auch noch die Puppe Mirabell, die wahrhaftig aus dem Beet wächst …
Beste Lesezeit: Vor dem Einschlafen.
Astrid Lindgren, Ilon Wikland: »Märchen«. Oetinger Verlag. Ab 6 Jahren.
Geschichten vom Kind mit dem guten Herzen
Juli ist ein herzensgutes Kindergartenkind im besten Alter, das seinen Gefühlen unbefangen Lauf lässt. Meistens ist Juli offen und vergnügt. Außer manchmal. Zum Beispiel wenn auf dem Pausenbrot Reformaufstrich ist, aber Kai einen leckeren Müsliriegel hat und nicht tauschen will. Wer bekäme da keine schlechte Laune?
Ich liebe die Juli-Geschichten, weil sie kurz und pointiert erzählen, es trotz aller Widrigkeiten lustig bleibt und sie genial illustriert sind. Das ist kein Wunder, denn die Geschichten sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Autorin Kirsten Boie und der Illustratorin Jutta Bauer. Also zwei der Oberliga der deutschen Kinderliteratur.
Was ist hier los? Sieben Geschichten über Juli, dem ständig aufregende Sachen passieren. Zum Beispiel die Fahrt mit einem schicken Gokart (das ein Rollstuhl ist) oder die wichtige Fundsache, die er bei der Polizei abgeben muss. Und dann verliebt sich Juli auch noch …
Beste Lesezeit: Für zwischendurch.
Jutta Bauer, Kirsten Boie: »Ich bin Juli! Geschichten aus dem Kindergarten«. Gulliver. Ab 4 Jahren.
Die starke Stella
Irgendwann, irgendwo in England, da lebte das Waisenkind Stella mit ihren verschrullten Tanten. Mit? Nein, wohl eher bei. Denn die drei Tanten behandeln sie schäbiger, als einen unerwünschten Gast. Es ist ein Wunder, das Stella trotzdem so ein liebenswerter Mensch ist. Aber vielleicht ist gerade das der Grund, warum sie in eine Kriminalgeschichte gerät, die sie mit anderen guten Menschen zusammenführt?
Richtige Hingucker sind das bunte Cover und die verträumten schwarz-weiß Illustrationen, die von der australischen Autorin selber stammen und die Geschichte vollenden. Alles zusammen: Spannend, ein bisschen gruselig und schön englisch.
Judith Rossell: »Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert«. Aus dem Englischen von Cornelia Panzacchi. Thienemann. Ab 10 Jahren.
Peter + Pax = Freunde
Die Geschichte von einem Jungen und einem Fuchs, die rücksichtslos getrennt werden und sich dann wieder auf die Suche zueinander begeben. Also eine Freundschaftsgeschichte. Aber nicht nur. Denn in ihrem Land tobt ein Krieg, der seine Schatten auch auf die beiden wirft. Auf ihrem Weg hat jeder erkenntnisreiche Begegnungen und gerät in gefährliche Situationen, so dass es immer spannend bleibt und sich der Spruch »Der Weg ist das Ziel« wieder einmal bewahrheitet.
Die Perspektive des Fuchses könnte kitschig geraten, ist hier aber zum Glück gut gelungen. Die ungewöhnliche Mischung aus Fiktion und Fakten über den Fuchs funktioniert. Wohl, weil die Autorin sich des Problems bewusst ist und von Fachleuten beraten ließ, wie sie im Anhang erklärt. Am Ende ist es eine Geschichte über das Wesen von Menschen und Tieren, die Dank der gelungenen Übersetzung von Birgit Kollmann immer leicht bleibt und nicht moralisierend wird. Sie ist spannend und einfach geschrieben, hat aber dennoch genug Tiefe, um auch ältere Kinder interessant zu sein.
Sara Pennypacker: »Mein Freund Pax«. Illustrationen von Jon Klassen. Aus dem Amerikanischen von Birgit Kollmann. Sauerländer. Ab 10 Jahren.
Schlittenhunde statt Scooter
Die Lektüre dieses Buches weckt Sehnsucht nach einer Hundeschlitten-Tour. Oder zumindest einem Spaziergang im Schnee; denn sie spielt im verschneiten Norden Kanadas. Hier lernt der der 13-jährige Jeremy einen alten Mann kennen, der noch nah an den Cree-Traditionen ihrer Vorfahren lebt. Durch den Mann entwickelt Jeremy eine Leidenschaft für Schlittenhunde und bekommt Mut, seine eigenen Interessen zu verfolgen.
Eine Geschichte über das Leben eines Teenagers, in der die Schule endlich mal eine Nebenrolle hat und es um die wirklich wichtigen Dinge geht: Selbstbewusstsein, Familiengeschichte, Freundschaft – und Hunde.
Miriam Körner: »Winter Dogs«. Oetinger Taschenbuch Verlag. Ab 11 Jahren.
Mord im Dampf-Express
Eine dreistöckige Dampflokomotive – ja, gab es denn sowas? Nein, so einen Mega-Zug, wie ihn der Autor Kenneth Oppel da durch Kanada fahren lässt, hat es nie gegeben. Wohl aber die vielen Jahre harter, gefährlicher Arbeit, bis der Trans-Kanada-Express von Küste zu Küste fahren konnte. 1885 war die Strecke fertig und zu dieser Zeit spielt auch die Geschichte über einen schüchternen Jungen, der zu viel weiß.
Ein fetter Schmöker mit fast 400 Seiten, der ausführlich die Welt der Eisenbahn-Pioniere und deren brutalen Kampf gegen die Ureinwohner anhand historischer Fakten beschreibt. Nur bei der fantastischen Ausstattung des Zuges hat sich der Autor ein wenig hinreißen lassen: Es gibt nicht nur einen Schneider und einen Friseur, sondern auch einen Fitness-Waggon und einen Bestattungswagen, in dem der verblichene Bahnmogul immer mitfährt. Schaurig-schöne Idee.
Was ist hier los? Der 16-jährige Will darf seinen Vater auf der Jungfernfahrt eines 12 km langen Zuges begleiten und beobachtet zufällig einen Mord. Klar: Nun wird er verfolgt und muss sich durch die über 900 Waggons in Sicherheit hangeln und herausfinden, wer hinter dem Verbrechen steckt.
Beste Lesezeit: Auf einer langen Bahnfahrt.
Kenneth Oppel: »Danger Express«. Aus dem Englischen von Anja Schmidt-Hansen. Aladin. Ab 12 Jahren.
August 2021. Für das Geschichtsressort des SPIEGEL habe ich kürzlich eine Auswahl von historischen Romanen für Kinder und Jugendliche zusammengestellt. Comics, Sachbücher, Bilderbücher und dieser schöne Roman über ein spannendes Gedankenspiel.
Verdammt realistisch
Doch, kann schon sein, dass drei Kinder Einstein mal das Leben gerettet haben. Zum Beispiel wenn sie wie Emily und ihre zwei Freunde aus unerklärlichem Grund ins Jahr 1913 geraten und sich zufällig auf einem Schiff mit dem Genie befinden.
Denn statt wie geplant ihren Geburtstag an Bord der Queen Mary 2 zu feiern und dann in New York (sic!) von Bord zu gehen, gerät die Zwölfjährige in eine Zeitschleife. Dort trifft sie zwei Jungs, die schon länger versuchen, wieder in die Gegenwart zu kommen. Als ein Brand auf dem Schiff ausbricht, haben die Kinder Gelegenheit, Geschichte zu schreiben – und nutzen sie.
Manches ist Fakt, einiges mehr ist pure Fantasie. Geschichtliche Ereignisse der Zukunft wie die Weltkriege und der Holocaust fließen ein wenig in die Handlung ein. Eine tolle Idee und so lebendig aufgeschrieben, dass unsere selbstverständliche Gegenwart sich plötzlich unglaublich fantastisch anfühlt.
Cornelia Franz: »Wie ich Einstein das Leben rettete«. Gerstenberg. Ab 10 Jahren.